Die Orgeln der Johanneskirche
Zusammen mit der Johanneskirche wurde 1893 auch eine Orgel mit 38 Registern eingeweiht. Erbaut wurde sie von der damals führenden deutschen Orgelbaufirma E.F. Walcker aus Ludwigsburg im damals modernen spätromantischen Stil mit pneumatischen Kegelladen. Im Jahre 1939 wurde sie durch die Licher Firma Förster & Nicolaus im Sinne der Orgelbewegung klanglich und technisch verändert. Durch die Zerstörung der Kirchenfenster im zweiten Weltkrieg war das Instrument den Witterungseinflüssen ausgesetzt, in der folgenden Zeit wurde die Orgel zunehmend unbrauchbar. Daher wurde 1962 der Beschluss zum Bau einer neuen Orgel gefasst. Diese wurde 1967 durch Förster & Nicolaus gebaut. Sie hat 43 Register, mechanische Spieltraktur und elektrische Registertraktur. Sie ist nach einem Entwurf von Walter Supper im Stil der neuen Sachlichkeit gestaltet. Ein schwieriges Erbe hinsichtlich der Klanglichkeit. Im Zusammenspiel mit einer mittlerweile maroden Technik ergibt eine Renovierung keinen Sinn.
Die Walcker-Orgel von 1893
In der Festschrift zur Kircheneinweihung ist die Orgel beschrieben:
„Die Orgel mit ihrem Gehäuse, letzteres aus polnischem Kiefernholz, mit herrlichster Holzschnitzerei hergerichtet und aufs schönste bemalt und vergoldet, nimmt bei einer Tiefe von 3,20 m die ganze Breite der Orgelbühne ein. Sie bietet, niedrig in der Mitte und dann fast in gleichem Lauf mit der Rose an den beiden Seiten turmartig aufstrebend dem Beschauer von außen ein erhabenes, großartiges Bild. Und im Inneren ein Meisterwerk.
Die Orgel enthält 38 klingende Register, die auf 3 Manuale und ein Pedal verteilt sind. Ferner hat die Orgel 8 Kopplungen, ein Crescendo und Decrescendo mittels Rollschwellers für das volle Werk und einen Schwelltritt für das III. Manual. Die Windladen sind pneumatische Kegelladen nach Walcker’schem System, bei denen die Spielbälgchen – aus feinem Schafleder mit Boden und Deckel aus Holz – alle außerhalb der Kanzellen ganz frei liegen. Das Spielen geschieht durch Röhrentraktur – dünne, verschieden lange Bleirohre – mit Einstromwind, wobei sowohl die Ansprache der Pfeifen als auch das Aufhören des Tones ein augenblickliches ist, sodass alle Figuren des Spiels (Triller, Staccato u. dgl.) im im raschesten Tempo ganz deutlich wieder gegeben werden können. Dabei ist die Spielart eine sehr angenehme und leichte. Das Gebläse besteht aus zwei Magazinen mit je zwei Schöpfern, die durch Balgetreten von 2, bei kürzerem Spielen auch von 1 Mann leicht besorgt werden können.
Die Orgel enthält im ganzen 2460 Pfeifen, nämlich 1590 Zinnpfeifen, 642 Holzpfeifen und 228 Zungenpfeifen. Der Spieltisch steht so vor und in der Mitte der Orgel, dass der Organist, mit dem Rücken gegen die Orgel, wie die ganze Kirche, so insbesondere Altar und Kanzel bequem überschauen kann.“ Zur Disposition von 1893…
»JEDE ORGEL FASZINIERT MICH AUF MINDESTENS DREI WEISEN: Ihre Vielfalt: Sie kann laut und leise, tief und hoch, beweglich und majestätisch. – Die Verbindung mit dem Raum: Dieser nimmt die Töne auf und sorgt damit für den ganz besonderen Klang.– Die Transzendenz: Die Musik, die auf einer Orgel erklingt, ist immer geprägt vom Geist des Kirchenraums.« Prof. Dr. Albrecht Beutelspacher, Initiator des Mathematikums
Die Förster & Nicolaus-Orgel von 1967
Für den Bau der neuen Orgel wurde die ursprünglich gestufte Empore auf Anraten des als Berater hinzugezogenen Architekten Walter Supper, der auch das Gehäuse entwarf, um zwei Meter tiefer gelegt.
So konnte das Gehäuse große Höhe bekommen, ohne in die Fensterrosette hineinzuragen. Die eigenwille Form des Orgelgehäuses sollte auch einen deutlichen Bruch mit dem Vorgängerinstrument verdeutlichen. Dabei wurden klangliche Erfordernisse einer so großen Orgel nicht genügend berücksichtigt, was von Anfang an zu Problemen führte. Die zu klein dimensionierten Gehäuse der einzelnen Werke behindern die klangliche Entfaltung, die nebeneinander aufgereihten Werke klingen wie einzelne Lautsprecher in den Raum. Stimmige werkübergreifende Klänge sind nur schwer herzustellen. Stilistisch sollte das neue Instrument an die barocke Klangsprache anknüpfen, die um neue Farb- und Obertonregister erweitert wurde. Mit deren synthetischen Timbre sollten die Klänge der einzelnen Stimmen eingefärbt und so transparenter werden. Ein Konzept, das in einem relativ kurzen Raum wie der Johanneskirche nicht aufgehen kann. Wichtige Register zur Instrumenten- oder Chorbegleitung fehlen.
Nach einigen Optimierungsversuchen in den letzten Jahrzehnten hat die Orgel heute folgende Disposition…
Die Disposition der Walcker-Orgel von 1893
1. Manual
Prinzipal 16‘
Prinzipal 8‘
Gedackt 8‘
Hohlflöte 8‘
Gamba 8‘
Dolce 8‘
Oktave 4‘
Rohrflöte 4‘
Oktave 2‘
Cornett 4-5fach
Mixtur 5fach 2 2/3‘
Trompete 8‘
2. Manual
Bourdon 16‘
Geigenprinzipal 8‘
Lieblich Gedeckt 8‘
Konzertflöte 8‘
Aeoline 8‘
Vox coelestis 8‘
Quintatön 8‘
Fugara 4’
Traversflöte 4’
Piccolo 2’
Klarinette 8’
3. Manual
Flötprinzipal 8’
Gedackt 8’
Salizional 8’
Prinzipal 4‘
Progressio 3fach 2 2/3‘
Tromp. harm. 8’
Pedal
Prinzipalbass 16’
Subbass 16’
Violinbass 16’
Bourdon doux 16’
Quintbass 102/3‘
Gedacktbass 8’
Oktavbass 8’
Posaune 16’
Trompete 8’
Die Disposition der Förster & Nicolaus-Orgel von 1967
I Positiv
Gedackt 8´
Prinzipal 4´
Rohrflöte 4´
Oktave 2´
Quinte 1 1/3´
rep. Terz 4/5´
Zimbel 3f. 1´
Dulcian 8´
Schalmey 4
II Schwellwerk
Quintade 16:
Prinzipal 8´
Gemshorn 8´
Oktave 4´
Flöte 4´
Quinte 2 2/3´
Oktave 2´
Quartan 2f. 2/3´ u. 2/5´
Mixtur 4 – 5fach . 2´
Trompete 8´
III Schwellwerk
Holzprinzipal 8´
Weidenpfeife 8´
Oktave 4´
Traversflöte 4´
Nazard 2 2/3´
Hohlflöte 2´
Terz 1 3/5´
Sifflet 1´
Scharf 4f. 2
Rankett 16´
Tromp. harm. 8´
Oboe 8
Pedal
Principal 16´
Subbaß 16´
Oktave 8´
Pommer 8´
Oktave 4´
Rohrpfeife 4´
Nachthorn 2´
Sesquialter 2f. 5 1/3´ u. 1/5´
Rauschpfeife 4f. 2 2/3´
Posaune 16´
Trompete 8´
Kornett 2
6 Normalkoppeln (elektrisch), Subkoppel III/II, 3 freie Kombinationen, Zungeneinzelabsteller, Pistons für Prinzipalchor. Mechanische Spiel und elektrische Registertraktur